Rehabilitation
Dabei geht es – im weitesten Sinn – um die Würdigung des umfangreichen und breitgefächerten Gesamtwerks von Paul Jaray. Er selber hatte dazu eine sehr pessimistische Haltung, versteckt in ironischer Formulierung:
«Der Physiker, Professor Max Planck, schrieb in seiner Autobiographie: ‹Eine neue wissenschaftliche Wahrheit pflegt sich nicht in der Weise durchzusetzen, dass ihre Gegner überzeugt werden und sich als bekehrt erklären, sondern vielmehr dadurch, dass die Gegner allmählich aussterben und so die heranwachsende Generation von vornherein mit der Wahrheit vertraut gemacht wird.›
Dieser Erkenntnis möchte ich hinzufügen, dass der Urheber eines neuen wissenschaftlichen Fortschritts – sofern er das Aussterben der Gegner überlebt – zumeist mit Erstaunen feststellen kann, dass die heranwachsende Generation die Urheberschaft für sich selbst in Anspruch nimmt. Diese Tatsache wäre an sich nicht wichtig, wenn die Epigonen die oft einige Jahrzehnte langen Erfahrungen des wirklichen Urhebers sich gleichfalls mit aneignen würden.
Das wird nur selten der Fall sein und deshalb gibt es so viele ‹Pseudo-Wahrheiten›, für die nun wieder – was für eine Verwirrung! – der wirkliche Urheber verantwortlich gemacht wird.«1
Diese «Pseudo-Wahrheiten» aus dem Weg zu räumen, hat sich Dr. Wolfgang Scheppe zu seiner grossen Aufgabe gemacht, mit einem kombinierten Konzept von Ausstellungen und umfangreichem Katalog der gefundenen Dokumente, Bilder, Filme, Tonaufnahmen, Objekte und anderer Akten.
Der Einbezug der Nachkommen von Paul Jaray (1889−1974) entstand zudem aus der einfachen Feststellung, dass – wie so oft – archivierte Arbeitsunterlagen und, auf die biografische Zeitachse bezogen, familiäre Ereignisse gar nichts miteinander gemein haben, ausser, es handelt sich um ökonomische Konsequenzen aus der Arbeit. Im konkreten Fall ging es darum, die welthistorische Dynamik mit familiären Geschehnissen in Verbindung zu bringen: technologische Innovationen im Bereich der Mobilität zu Ende des 19. Jahrhunderts, 1. Weltkrieg, Zwischenkriegszeit mit weltweiter Aufrüstung und Nazifizierung von Deutschland samt Anschluss Österreichs, Konsequenzen für jüdische Familien, 2. Weltkrieg mit familiären Spätfolgen für jene, die hatten fliehen können. Oder die, wie Paul Jaray, Opfer von systematischem Patent-Klau wurden – «Tatsache eines nicht nur verlorenen, sondern eines entzogenen Rufs».2
Stephan B. Jaray, im September 2022
- Paul Jaray, Bericht über meine Arbeit, Legat ETH Zürich, Hs 1146:1, ca. 1950 [↩]
- Einführung des Kurators, § 2 [↩]