Paul Jaray

So fing es erneut an, wie­der ein­mal: mit dem Wer­be­film «Ugly Duck­ling» von Audi UK aus dem Jahr 20121. Sein Titel spielt expli­zit an auf das Mär­chen vom häss­li­chen Ent­lein, die berühm­te Para­bel vom Aussenseiter.

Wir, die Nach­fah­ren von Paul Jaray (1889−1974), waren damals zwar sehr ange­tan von die­sem Audi-Wer­be­spot. Denn die­ser preist die heu­te noch gül­ti­ge und wei­ter­hin viel­fach ange­wen­de­te Strom­li­ni­en­form nach den ent­spre­chen­den Paten­ten von Paul Jaray aus den 1920er Jah­ren in den höch­sten Tönen an. Damit bestä­tigt Audi selbst visu­ell die direk­te Ver­wandt­schaft mit und Abkom­men­schaft von Jaray’s Erfindung.

Aber, was die­ser Wer­be­film unter­schlägt: weder Audi noch alle ande­ren deut­schen Auto­mo­bil-Gigan­ten bezahl­ten jemals Lizen­zen für Jaray’s Strom­li­ni­en­form-Paten­te. Paul Jaray wird nicht ein­mal erwähnt in der Geschichts­schrei­bung die­ser Fir­men – es war damals ein kla­rer Patent-Klau. Und er bleibt es, bis zum heu­ti­gen Tag: un-ent­schul­digt, un-wie­der­gut­ge­macht und un-dokumentiert.

Soweit das fami­liä­re, pau­scha­le Wis­sen um die uner­freu­li­chen Ereig­nis­se in den 1920er Jah­ren, als Fami­li­en-Saga von Gene­ra­ti­on zu Gene­ra­ti­on wei­ter kol­por­tiert – der Audi-Wer­be­spot war nur das jüng­ste Bei­spiel läh­men­der Ohn­macht der Nach­kom­men gegen­über erlit­te­nem Unrecht unse­rer Vor­fah­ren in der Ver­gan­gen­heit, im kon­kre­ten Fall vor bald 100 Jahren.

Bis im Som­mer 2021 Dr. Wolf­gang Schep­pe vom Arse­na­le Insti­tu­te for Poli­tics of Repre­sen­ta­ti­on in Vene­dig mit uns Kon­takt auf­nahm. Er war bereits 1981 auf Paul Jaray und sein Wir­ken auf­merk­sam gewor­den, aber – hier ein zen­tra­ler Aus­schnitt aus sei­nem Schrei­ben – bis­her ohne Gegeninteresse:

«Nach unzäh­li­gen Bemü­hun­gen über die Jah­re hin­weg (die stets schei­ter­ten am Unwil­len der Indu­strie, ihre Nazi-Ver­gan­gen­heit auf­zu­ar­bei­ten, wie man sagt) bekam ich im Novem­ber 2020 gänz­lich uner­war­tet den Bescheid, dass das deut­sche Ver­kehrs­mi­ni­ste­ri­um eine För­de­rung für eine dies­be­züg­li­che Aus­stel­lung beschlos­sen habe. Sie war für eine Eröff­nung bei der Archi­tek­tur­bi­en­na­le 2021 in Vene­dig in den sehr geeig­ne­ten Aus­stel­lungs­räu­men des Arse­na­le Insti­tuts (des­sen Mit­grün­der und momen­ta­ner Prä­si­dent ich bin) und min­de­stens drei wei­te­re Tour­nee­sta­tio­nen in bedeu­ten­den Häu­sern geplant.»

Die­ses email war der Start­schuss für eine gan­ze Rei­he von hek­ti­schen Akti­vi­tä­ten, auch unse­rer­seits. Unse­re Läh­mung war weggeblasen.

Ste­phan B. Jaray, im Juli 2022

  1. sie­he auch You­Tube mit Kom­men­ta­ren []